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Ensemble Mixtura konzertierte während des Corona-Lockdowns
Die andauernde Corona-Pandemie ermöglicht es Konzertveranstaltern und
Kulturschaffenden nach wie vor nicht, mit ihrem künstlerischen Tun an
die Öffentlichkeit - jedenfalls nicht an die physische, nicht-virtuelle
- zu gehen. So hat sich bei vielen Kulturinstitutionen das Format des
Online-Konzerts durchgesetzt, daß der geneigte Hörer zu Hause am
Bildschirm verfolgen kann. Allerdings hat dies auch einen eklatanten
Nachteil - dadurch, daß man das Geschehen in den heimischen vier Wänden
verfolgt, ist die Verführung mitunter groß, nicht nur der Musik zu
folgen, sondern nebenbei noch alles mögliche andere zu machen, zumal der
Bildschirm quasi das statische Bild des Bühnengeschehens zeigt.
Hier geht das Ensemble "Mixtura", das im wesentlichen aus Katharina
Bäuml (Schalmei) und der Akkordeonistin Margit Kern besteht, einen
durchdachten Weg und macht aus der Not - ein Konzert nicht live
aufführen zu können - eine Tugend: aufgezeichnet im Calder-Saal des
Hannoveraner Sprengel-Museums (dem Ort des ursprünglich geplanten
Konzertes), musizierte das Duo im Rahmen des Projektes "Mix-Digi-Lab"
zusammen mit den Gästen Olaf Tzschoppe (Schlagwerk) und dem
Videokünstler Jean-Francois Guiton, wobei letzterer die auf dem
Bildschirm zu sehenden Kunstwerke beisteuert. Je nachdem, ob der
Betrachter das Videobild auf dem Bildschirm etwas nach oben oder unten
verschiebt, sieht er entweder die ausführenden Musiker - wie im Konzert
-, oder aber er sieht die Bilder oder in Echtzeit entstehenden
Video-Grafiken Guitons zur laufenden Musik, wodurch sich mitunter
reizvolle, synästhetische Erlebnisse ergeben, etwa über fünf Notenlinien
mäandernde Farbpigmente, zur Glocken- und Gongspiel-Improvisation
Tzschoppes zur Musik tanzende Farbbalken und -kreise oder auch eine an
die Sonne erinnernde künstlerische Darstellung, deren Farbwerte sich
sukzessive zur Musik verändern. Zudem bietet die Darstellung auf dem
Bildschirm auch die Möglichkeit, beide Bildebenen quasi übereinander
geblendet zeitgleich zu sehen, je nachdem, wie weit nach oben oder unten
das Bild verschoben wird - die ausführenden Musiker quasi im Verein mit
dem Bild. Ein Synästhet wie etwa der Komponist Alexander Skrjabin hätte
daran wohl sicher seine Freude gehabt. Somit ergibt sich letztendlich
nicht nur ein Konzert, sondern eine Konzertinstallation, die den
Betrachter und Hörer von ganz allein durchweg am Geschehen teilhaben
läßt, ohne "Ablenkungspotential".
Musikalisch boten Bäuml und Kern insgesamt fünf Stücke des
Renaissance-Komponisten Johannes Ciconia; der gedeckte, etwas raue Ton
der Schalmei - bekanntlich der Vorläufer der heutigen Oboe - harmonierte
hierbei aufs beste mit der feinsinnigen, flexiblen Klanggebung von
Margit Kerns Spiel am Konzertakkordeon; obschon beide Instrumente zum
Teil ähnliche Klangfarben aufweisen, hoben sie sich durch präzises Spiel
und klangliche Transparenz in der Tongebung, nicht zuletzt auch durch
durchdachte Registerwahl am Akkordeon dennoch apart voneinander ab.
Strukturiert wurde das Programm schließlich mit der bereits erwähnten
Improvisation Olaf Tzschoppes, dabei titelmäßig an die tänzerischen
Werke Ciconias angelehnt, trug die Improvisation doch den Titel "Con
Johannes Ciconia"; sowie der Uraufführung des Werkes "Das Lachen der
hölzernen Musa" des 1990 geborenen griechischen Komponisten Pietros
Leivadas für ein Trio aus Schlagwerk, Schalmei und Akkordeon - hier
liefen letztlich die musikalischen Fäden, die in den anderen Werken
ausgesponnen wurden, zusammen.
Mag das Virtuelle den Klang- und Bildzauber einer Präsenzveranstaltung
nicht in gänze abbilden können, so ist das "Mix-Digi-Lab" oder
Vergleichbares dennoch eine Alternative zu einem synästhetischen
Live-Erlebnis, das vielleicht gute Chancen hat, auch nach der
Pandemiezeit weiterbestehen zu können.
Daniel Hennigs
Freier Kulturjournalist
in Harmonika Revue 3/21
Omaggio a Francesco
Katharina Bäuml, Schalmei, Margit Kern, Akkordeon (dreyer gaido)
Auch wiederum ein erneuter Beweis dafür, dass sich das Akkordion als Instrument immer mehr in den Fokus des Interesses schiebt. Vor einigen Jahren gründeten Katharina Bäuml und Margit Kern das Duo Mixtura um in Konzeptalben historische Musiken aktuellen Komponisten gegenüber zustellen. Auf dieser CD sind es die Musiken des europäischen Komponisten Francesco Landini, die eher schlichter aber sehr melodisch sind, diese werden denen moderner iranischer Komponisten, die beinahe etwas atonal anmuten, wie denen von Farzia Fallah, Arsalan Abedian und Ehsan Ebrahimi gegenübergestellt. Herauskommt ein interessanter Mix. Eine CD, die man Freunden dieser Instrumente und moderner iranischer Musik sehr ans Herz legen kann.
Ihr Opernratgeber ( Hrsg: Sven Godenrath )
Das Ensemble Mixtura erforscht Klangfelder bei Ultraschall im Radialsystem V
Kombination und Wissen in der Weltmusik
Am Samstagnachmittag erlebten beim Festival für neue Musik, Ultraschall, gleich 4 Kompositionen kombiniert und kontrastiert mit Musik der Renaissance im Radialsystem V ihre Uraufführung. Das Neue des Ensembles Mixtura entsteht aus einer bisher nicht praktizierten Kombination zweier Instrumente, die musikhistorisch gesehen überhaupt nichts miteinander zu tun haben: die Schalmei und das Akkordeon. Steht das Akkordeon in seinen zahlreichen Ausformungen und Patentierungen als Symphonium (1829), Concertina (1844) oder Organetto (1863) im 19. Jahrhundert an einem Endpunkt der Mechanisierung von Musikinstrumenten und Standardisierung von Klängen, so geht die Schalmei als Vorläuferinstrument der um 1660 konstruierten Oboe dieser voraus.
Die Schalmei wird im Barock von der Oboe in der Orchestrierung von Musik abgelöst. So ist es denn nicht überraschend, dass Johann Mattheson die Oboe in seinem Buch Der vollkommene Capellmeister (1739) besonders herausstreicht und scharf kritisiert, dass die Musiker häufig wenig oder kein systematisches Wissen über den Gebrauch ihrer Instrumente besäßen. Er empfiehlt, dass die Musiker ihre Instrumente „mit Fleiß untersuchte(n)“ „z. E. ein Violinist seine Geige, ein Oboist seine Oboe u. s. w.“(S. 458).[1] Katharina Bäuml, Schalmei, und Margit Kern, Akkordeon, erforschen zusammen u. a. mit den Komponistinnen Sarah Nemtsov, Tatjana Prelevic, Ali Gorji und Samir Odeh-Tamimi ihre Instrumente jenseits der Klangschemata.
Night Out @ Berlin | 30.01.16
Sibylla
Orlando di Lasso, Karin Haußmann, Annette Schlünz, Babette Koblenz
Katharina Bäuml, Margit Kern, Kai Wessel
So einer exotischen Besetzung begegnet man nicht alle Tage. Die mal leicht näselnde und dann wieder auch ihre orientalischen Reize ausspielende Schalmei trifft auf den schillernd-bunten Klangfächer des Akkordeons. Wer sich wie die beiden Musikerinnen des Duo Mixtura für so eine musikalische Dialogform entscheidet, weiß natürlich, dass man nur dank Arrangements und Auftragskompositionen existieren kann. Darüber hinaus entwickeln aber Katharina Bäuml (Schalmei) und Margit Kern (Akkordeon) auch bei ihren CD-Projekten stets einen roten Faden, um zeitlich scheinbar allzu weit entfernte Klangwelten mindestens ein wenig anzunähern. Nach der letzten Brücke, die man anhand Guillaume de Machauts Motetten zwischen Mittelalter und Gegenwart geschlagen hatte, rahmt man nun einen Vokalzyklus vom Renaissance-Musikfürsten Orlando di Lasso mit drei neuen Werkzyklen ein. Und wie der CD-Titel „Sibylla“ ankündigt, dreht sich nahezu alles um die gleichnamige, antike Seherin und Weissagerin.
Ihr widmete Lasso in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die schon zu seinen Lebzeiten berühmten „Prophetiae Sibyllarum“ (Prophetien der Sibyllen) und ließ in den zwölf Vokalstücken seine visionäre Chromatik mehr als nur einmal aufblitzen. Auch diese spannungsvoll angelegten Intarsien kommen in dem von Bäuml/Kern entworfenen Klangbild beeindruckend zur Geltung. Und überhaupt ist es diese feine, gefühlvolle Balance aus Sanglichkeit und harmonischem Raffinement, die man – ehrlich gesagt – nicht von dieser Instrumentenkombination erwartet hätte. Auf den Spuren von Lassos Sibyllen bewegen sich auch die drei Komponistinnen auf ganz unterschiedliche Weise. Karin Haußmanns Duo-Stück „an der Stimme gekannt“ entpuppt sich als intensives Lamento. Annette Schlünz ́ „9 Gesänge“ mit Kai Wessel in der Countertenorpartie sind Text-Vertonungen u.a. von Christa Wolf – wobei das Dramatische und Deklamatorische doch bisweilen allzu angestrengt und überhitzt daherkommt. Dagegen spielt Babette Koblenz in „Around“ geschmackvoll und elegisch mit so manchen Jazz- und Tango-Assoziationen und bestätigt damit die These, dass Schalmei und Akkordeon sehr gut miteinander können.
Klang Konzert , RONDO Nr. 876
ARCHIPEL MACHAUT im rbb Kulturradio
Alte und Neue Musik - diese Mischung geht hier wunderbar auf.
Bewertung: KKKKK
Guillaume de Machaut zählt zu den bedeutendsten Vertretern der frühen Mehrstimmigkeit im ausgehenden Mittelalter. Gleichwohl war er nur im „Nebenberuf“ Komponist und diente hauptsächlich als Kleriker und königlicher Beamter: Im Range eines Sekretärs trat er 1323 in den Dienst König Johanns von Böhmen ein, an dessen Seite er Reisen und Feldzüge quer durch Europa unternahm. Ab etwa 1340 wurde Machaut dann als Kanoniker der Kathedrale Notre Dame in Reims ansässig, wo er bis zu seinem Tode verblieb. Seine „Messe de Nostre Dame“ ist die früheste uns bekannte vierstimmige Vertonung des gesamten Messordinariums. Das Werk wurde noch im 14. Jahrhundert durch zahlreiche Handschriften verbreitet und diente somit nachfolgenden Komponistengenerationen als Leitbild. Aber auch Machauts weltliche Liedformen, darunter Rondeaux und Virelais, besaßen stilprägende Wirkung.
Stimmige Klangmischung
Auch zahlreiche Komponisten unserer Zeit zeigen sich fasziniert von den komplexen Strukturen in Machauts Werken: Melodische und rhythmische Motive durchdringen die Kompositionen und lassen einen vielschichtigen, aber gleichzeitig überaus ausdrucksvollen Satz entstehen.
Die neue CD des Ensembles Mixtura mit Katharina Bäuml (Schalmei) und Margit Kern (Akkordeon) macht diese Faszination auf ganz besondere Weise hörbar. Eingespielt wurden zum einen Sätze aus der „Messe de Nostre Dame“ sowie weltliche Lieder von Machaut. Die ungewöhnliche Kombination des mittelalterlichen Blasinstruments Schalmei und eines modernen Akkordeons erweist sich einmal mehr als hervorragende Klangmischung. Der klare, aber doch flexible Ton der von Katharina Bäuml gespielten Schalmei übernimmt meist die Oberstimme, während die anderen Stimmen vom weichen, biegsamen Klang des Akkordeons zu hören sind. Nichts am Spiel von Margit Kern erinnert dabei an „Schifferklavier“ oder Harmonium, vielmehr hat man den Eindruck, ebenfalls ein „historisches“ Instrument zu hören. Dies ist auch dem Können Margit Kerns zu verdanken, die auf dem Akkordeon ein Art „mitteltönige“ Stimmung erzeugt, indem sie die Tasten bei bestimmten Tönen nur zur Hälfte drückt.
Alt und Neu vertragen sich hervorragend
Den zweiten Schwerpunkt der CD bilden drei zeitgenössische Kompositionen für Schalmei und Akkordeon, die jeweils in unterschiedlichen Schattierungen von Machaut bzw. der Musik seiner Zeit inspiriert sind. Der Amerikaner Sidney Corbett hat konkrete Motive aus weltlichen Liedern Machauts in seine Komposition „Archipel Machaut“ eingewoben. Sarah Nemtsov verwendet für „Briefe – Heloisa“ ebenfalls originale Machaut-Motive, versieht die Partitur darüber hinaus aber noch mit zahlreichen zusätzlichen Spielanweisungen und Klangeffekten (Flatterzunge, Summen, Mikrotöne, Zusatzgeräusche etc.), dass sich zum Ende des Stückes der Eindruck eines deutlich größeren Ensembles ergibt. Samir Odeh-Tamimi schließlich verzichtet in seiner Komposition „ÒD“ auf konkrete Zitate und bringt seine Erfahrungen traditioneller arabischer Musik ein. Alle drei neuen Werke sind gelungene Klangexperimente, die im wirkungsvollen Kontrast zur streng gemessenen Musik Machauts stehen. In der Mixtur beider Stile und dem hervorragend aufeinander abgestimmten Spiel von Katharina Bäuml und Margit Kern liegt der große Reiz dieser Produktion.
Bernhard Schrammek, kulturradio
Archipel Machaut Medieval Music & New Music Werke von Guillaume de Machaut, Sidney Corbett, Sarah Nemtsov und Samir Odeh-Tamimi Ensemble Mixtura: Katharina Bäuml, Schalmei Margit Kern, Akkordeon Genuin GEN 13284 www.kulturradio.de/rezensionen/cd/2013/archipel-machaut-medieval-music-new-music.html Seite 2 von 3 kulturradio vom rbb | Archipel Machaut - Medieval Music & New Music 01.09.13 17:53 LC 12029 4 260036 252842 © Rundfunk Berlin-Brandenburg www.kulturradio.de/rezensionen/cd/2013/archipel-machaut-medieval-music-new-music.html
MINIATURES im rbb Kulturradio
Die CD präsentiert gleich in zweifacher Hinsicht ein bemerkenswertes und faszinierendes Kontrasterlebnis. Auf der einen Seite begegnen einander Schalmei und Akkorden (Mittelalter versus 19. Jahrhundert), auf der anderen neue Musik (Originalkompositionen für dieses Duo) und Liedsätze von Jan Pieterszoon Sweelinck, ergänzt durch drei Bearbeitungen des La Spagna-Tanz-Basses aus dem 15. Jahrhundert. Darüber hinaus begegnen einander zwei Musikerinnen, die absolute Meisterinnen ihrer Instrumente sind. Allein ihre Kommunikation, die jedwedes Repertoire legitimiert, macht die CD zu einem wirklichen Hörabenteuer. Was die Musik von Sweelink betrifft, so handelt es sich genuin um Claviersätze, auszuführen auf Orgel oder Cembalo. Da den Kompositionen, die jeweils Variationenfolgen darstellen, jedoch die Gestalt eines konsequent ausgearbeiteten mehrstimmigen Satzes haben, kann man diese auch einem (wie auch immer besetzten) Ensemble überantworten. Solche Claviermusik ebenso zu realisieren, war in der frühen Barockzeit eine verbreitete Praxis. Und schließlich galt in früheren Jahrhunderten: »Nur eine Bearbeitung ist das Original«. Mit diesem kreativen Ideal, das in der Alten Musik gegenüber der Suche nach dem historischen Klang sogar eine Priorität für sich beanspruchen dürfte, kommunizieren Kern/Bäuml auf gerade ideale Weise. Die vorzügliche Qualität der Tonsätze, die Virtuosität und die subtile Kommunikation der beiden Musikerinnen führen zu einem klanglichen Gesamteindruck, in dem die beiden Instrumente, so heterogen sie auch sein mögen, für diese Musik geradezu als prädestiniert erscheinen. Denn etwa im Vergleich zu Cembalo und Orgel kann man auf einem Akkordeon den Ton dynamisch höchst flexibel gestalten. Etwa im Vergleich mit der Oboe ist die Schalmei in dieser Hinsicht eher eingeschränkt – aber nicht, wenn sie so spielt wie Katharina Bäuml!
Was die Neue Musik (auch insgesamt) betrifft, sollte man nicht den Versuch unternehmen, ästhetische Qualitätskriterien mit intersubjektiver Verbindlichkeit zu eruieren, da wir in einer Zeit leben, in der das künstlerische Tun keinerlei normatives Substrat mehr hat. Und so frei wie die Komponisten bei ihrer Gestaltung, sind die Hörer im auditiven Umgang mit der Musik. Einige verbalen Hilfen, die das Assoziationsvermögen des Hörers auf die Intentionen der Komponisten richten, liefert das Booklet. Hier erfährt man unter anderem auch, in welcher Weise sich die Kompositionen auf die Entfaltung der Klangspezifika von Schalmei und Akkordeon richten. In der Neuen Musik sind solche »Verstehenshilfen« allenthalben üblich; aber sind sie wirklich notwendig? Sollte nicht schlicht der Bibelspruch gelten: »Wer Ohren hat zu hören, der höre« – in diesem Falle auch zwei Musikerinnen, die mit ihrem Programm – und mit jedem einzelnen Ton – beweisen, dass es zu dem langweiligen Beharrungsvermögen, welches die Musik des klassischen Mainstreams charakterisiert, eine vielfache, vitale Alternative existiert. KKKKK
Bernhard Morbach